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Linguistik-Serie von Schulreporter Marcell

Künstliche Sprachen

Ich habe schon viele Artikel über Sprachen veröffentlicht. Mein allererster Artikel war über die Intensivklasse, die ich früher besucht habe. Später habe ich einen Artikel über Kompositalängenweltrekordbrechenszwangs… usw. geschrieben, ein sehr langes Wort. In einem anderen Artikel habe ich schon geschrieben, dass künstliche Sprachen die beste Methoden der Geheimkommunikation sind. In diesem Artikel werde ich zeigen, wie man eine solche Sprache selbst erstellt.

Die meistbekannten Sprachen sind natürliche Sprachen, d. h. sie wurden von keinem Menschen geschaffen, sondern entstanden über Jahrhunderte, Jahrtausende mit Sprachevolution. Die künstlichen Sprachen entstanden mit logischem menschlichem Denken. Bekanntere künstliche Sprachen sind Esperanto, Elbisch (Der Herr der Ringe), Klingonisch (Star Trek) und Na’vi (Avatar).

Ich versuche zurzeit selbst auch, eine künstliche Sprache zu erstellen. Unten könnt ihr mein Vorgehen sehen.

Schritt 1: Tonsystem

Man soll zuerst versuchen zu entscheiden, welche Töne man benutzen möchte. Dazu hilft das internationale phonetische Alphabet. Dies ist ein Alphabet, das seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts existiert. Dieses Alphabet bastiert auf dem lateinischen und griechischen Alphabet. Sein Ziel ist es, alle Töne aus allen menschlichen Sprachen zu enthalten, und diese nach Aussprache zu sortieren.

Diese Seite kann euch viel helfen bei der Tonauswahl. Hier könnt ihr auch alle möglichen Töne anhören.

Mein Alphabet enthält folgende Töne: ɑ, b, ǀ/t͡s, d, æ, f, g, ɦ, i, ʝ, ǁ, l, m, n, ɔ, œ, ʘ, ʃ, u, ʉ, w, t͡ʃ.

Wenn ihr euch schon mit diesem Alphabet auskennt, merkt ihr, dass meine Sprache unter anderen drei Klick-Töne enthält (ǀ, ǁ und ʘ), aber kein p, s (wie in “Nase”), ss (wie in “essen”) oder t hat.

Ihr habt eine freie Auswahl bei den Tönen, Hauptsache, ihr könnt sie aussprechen. Die Sprache kann wenige Töne haben (zum Beispiel nur a, i, b, n, p, k, l, j) oder auch sehr viele. Bei wenigen Tönen werden oft lange Wörter gebildet, weil die Kombinationsmöglichkeiten geringer sind.

Nachdem ihr eure Töne festgelegt habt, müsst ihr die mögliche Kombinationen festlegen. Dazu empfehle ich, zuerst einen Silbenaufbau festzustellen.

In meiner Sprache, dies ist (C)V(V)(C) und (C)V(V)(CC). Dabei sind V die Vokale (vowels) und C die Konsonanten (consonants). Das bedeutet, dass meine Silben 1-2 Vokale haben. Die Silben fangen mit einem Konsonanten an und hören auf mit einem Konsonanten oder mit einem Doppelkonsonanten (z. B. bb oder ll) auf.

Ihr könnt so große Konsonantenketten haben, wie ihr wollt. Zum Beispiel ist im Japanischen in der Regel (C)V, aber z. B. im Slowakischen findet man sehr lange Konsonantenketten, wie z. B. zmrzlina (Speiseeis).

Dies genügt leider nicht. Zum Beispiel ist es sehr schwer, die Konsonanten gd nacheinander auszusprechen, insbesondere wenn man schnell sprechen möchte. Dazu muss man eine Tabelle aufstellen.

Darin stelle ich übersichtlich dar, welche Buchstabenpaaren erlaubt sind, und wie Wörter anfangen oder aufhören dürfen.

Man muss auch entscheiden, wo das Akzent des Wortes liegt. Wird immer die erste Silbe betont, wie im Ungarischen? Vielleicht immer die zweite, wie in meiner Sprache? Vielleicht ist das in jedem Wort anders, wie im Deutschen?

Man kann auch weitere Regeln aufstellen. In meiner künstliche Sprache wird immer die zweite Silbe betont. Deshalb werden alle “o”-s und “ö”-s in der zweiten Silbe zu “u”-s und “ü”-s, und in anderen Silben passiert dasselbe andersherum.

 

Schritt 2: Grammatik

Sprachart

Wenn ihr mit der Phonetik fertig seid, kommt der zweite Schritt: Grammatik.

Man soll meiner Meinung nach zuerst die Sprachart festlegen.

Die analytischen Sprachen benutzen für jede grammatikalische Eigenschaft (Fälle, Verbzeiten, Verbmodus, Geschlecht, sogar Plural usw.) ein eigenes Wort. Beispiele sind dafür Chinesisch und nach einigen Definitionen auch Englisch.

Die fusionalen Sprachen verändern ihre Wörter (oft die Endung), um grammatikalische Eigenschaften auszudrücken. Im Deutschen ist ein Beispiel dafür das Plural von Apfel: Äpfel. Die meisten indo-europäische Sprachen (u. a. Deutsch) zählen zu diesem Sprachbau, obwohl sie sich oft im Übergangsbereich zu analytischen Sprachen befinden.

Agglutinative Sprachen drücken ihre grammatikalischen Fälle mit Präfixen und Suffixen aus. Ein Beispiel dafür sind die finno-ugrischen Sprachen, u. a. Ungarisch.

Polysyntetische Sprachen können Gedanken in einem Wort zusammenfassen, die im Deutschen oft nur mit einem Satz gesagt werden können. Inuktitut ist der bekannteste Vertreter dieser Gruppe.

Meine Sprache gehört zu den analytischen Sprachen.

Satzbau

Nachdem ihr die Sprachart festgelegt habt, sollt ihr euch für einen Satzbau entscheiden. Dabei können wir 6 Reihenfolgen betrachten: SVO, SOV, VSO, VOS, OSV, OVS.

S steht für Subjekt (Nomen), V für Verb, O für Objekte.

  • SVO ist ein normaler deutscher Satz. Dieser Satz war auch in SVO geschrieben.
  • SOV kann aus dem Französischen bekannt sein, wenn ihr ein Objektpronomen benutzt: “Je le mange.”
  • VSO ist ein weniger bekannter Satzbau, Beispiele dafür sind Arabisch und Hebräisch. Außerdem sind deutsche Fragesätze als VSO aufgebaut.
  • VOS ist noch seltener, davon wird eure Sprache sehr exotisch!
  • Den Satzbau OSV Yoda benutzt.
  • OVS ist auch sehr selten.

Eine Sprache muss keinen festen Satzbau haben. Er kann Fragen ausdrücken, oder die betonten Wörter eines Satzes bestimmen. Ein Beispiel dafür ist Ungarisch, wo das Wort vor dem Verb betont ist.

Meine Sprache besitzt den Satzbau SOV.

Fälle

Danach kommen grammatikalische Fälle. Diese drücken das Verhältnis eines Subjekts zu anderen Subjekten oder Handlungen. Im Deutschen kennen wir vier Fälle:

  • Nominativ ist der Normalzustand eines Nomens. Antwort auf die Frage “Wer?”
  • Akkusativ markiert ein direktes Objekt. Antwort auf die Frage “Wen?”
  • Dativ markiert ein Nomen, dem etwas gegeben wird. Antwort auf die Frage “Wem?”
  • Genitiv markiert den Besitzer eines Subjekts. Antwort auf die Frage “Wessen?”

Die Fälle hören aber hier nicht auf. Die Präpositionen der deutschen Sprache drücken auch “Fälle”, Präpositionsfälle aus. Aber Deutsch hat auch nicht alle Fälle. Es gibt zum Beispiel im Lateinischen und in slawischen Sprachen den Vokativ-Fall. Dieser wird benutzt, um jemanden anzusprechen.

Meine Sprache hat 11 Fälle. Diese sind Nominativ, Akkusativ (den Mann), Adessiv (beim Mann), Superessiv (auf dem Mann), Inessiv (im Mann), Intrativ (zwischen den Männern), Ablativ (vom Mann), Allativ (zum Mann), Instrumental (mit dem Mann), Dativ (dem Mann), Distributiv (pro Mann), Vokativ (Du Mann!) und Genitiv (des Mannes).

Artikel

Die Artikel sind auch sehr unterschiedlich in unterschiedlichen Sprachen. Sollen die Artikel die Geschlechter ausdrücken? Sollen sie Fälle ausdrücken? Soll es sogar Artikel geben? Es gibt Sprachen, die darauf verzichten. Soll es nur definite Artikeln geben (im Deutschen: der, die, das, dem, den, des)? Sollen die Artikel anders sein, wenn sie vor einem Vokal bzw. Konsonanten kommen (z. B. im Englischen “a”/”an”)? Eine Unmenge von Auswahlmöglichkeiten.

Modi und Zeiten

Modi und Zeiten beeinflussen die Bedeutung eines Verbs.

Im Deutschen gibt es drei Modi: Indikativ, Konjunktiv (“wenn”) und Imperativ (“muss”). Meine Sprache hat auch ein Fragemodus.

Die Anzahl der Zeiten ist fast in jeder Sprache anders. Im Deutschen gibt es sechs Zeiten: Präsens, Perfekt (haben/sein), Präteritum (-te), Plusquamperfekt (hatte/war), Futur I (werden) und Futur II (werden … haben/sein). Im Englischen gibt es sogar zwölf Zeiten: die Kombinationen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; Normal und Perfekt; Kontinuierlich und Unkontinuierlich. Im Ungarischen gibt es aber nur die drei Hauptzeiten: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Meine erfundene Sprache wird auch diese drei Zeiten haben.

Schritt 3: Vokabeln

Der dritte, und schwierigste Teil der Spracherfindung ist die Erstellung von Vokabeln. Verfolgt euer Tonsystem, aber habt keine Angst vor Ausnahmen! Die Grammatik soll auch nicht dasselbe bleiben, wie ihr das vorher ausgedacht haben, lasst ihr die Wörter die Sprache umformen, falls es euch so besser gefällt.

Schritt 4: Lernen und Weitergeben

Fühlt ihr, dass eure Sprache fertig ist? (Sie ist nicht wirklich fertig, darin bin ich sicher.) Dann fangt an, sie zu lernen, und gebt die Sprache an Freunde weiter. Die Sprachen verändern sich immer, wenn Menschen sie sprechen: sie wird natürlicher. Es wird ständig neue Wörter geben, die ihr übersetzen, und in die Sprache einbauen müsst.

Marcell Kiss-Rédey, E2 (Schulreporter)

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